Der Alt-Merksteiner Brezelgang

Während des 30-jährigen Krieges wurden die Menschen immer wieder heimgesucht von feindlichen Übergriffen, Feuersbrünsten und Hungersnöten. Auch unsere Gegend blieb davon nicht unverschont. So kam es, dass im Jahre 1633 der Abt des Augustiner-Chorherrenstiftes Klosterrath (der heutigen Abtei Rolduc) Balduin von Horpusch, in seiner Funktion als Grundherr von Merkstein und der Pastor der Pfarrkirche St. Willibrord Martinus Nobis eine bewaffnete Bürgerwehr -die Schützen- ins Leben riefen. Zusätzlich zu diesem Schutz von Leib und Leben brachten diese Schützen Brot in die Kirche, das gesegnet und anschließend an die hungernde Bevölkerung verteilt wurde.

Am Sebastianusmontag, der entweder kurz vor oder nach dem 20. Januar, dem Todestag des heiligen Märtyrers Sebastian stattfindet, werden in Erinnerung an diesen Brauch Tausende von Brezeln an die Bevölkerung, hauptsächlich an die Kinder, verteilt. Mit der Brezelform wird an die Stricke erinnert, mit denen der hl. Sebastian bei seinem Martyrium gefesselt wurde.

Begonnen wird der Sebastianusmontag seit langem mit einer Messe in der Pfarrkirche St. Willibrord, in der die Namen aller Verstorbenen der Bruderschaft verlesen werden. Diese Namen, sofern noch bekannt, sind in einem so genannten Totenbuch niedergeschrieben und festgehalten, ein wertvoller Schatz der Alt-Merksteiner Bruderschaft. Aus Anlass des Festes wird zudem das eigens für diesen Anlass getextete Lied zu Ehren des heiligen Sebastian gesungen. Nach diesem Seelenamt werden dann die Brezeln, die von den Schützen schon in aller Frühe gebündelt worden sind, im Vereinslokal von Schützen und örtlicher Prominenz in Empfang genommen.

Anschließen beginnt der Brezelgang. Neben vielen Schülern der Alt-Merksteiner Grundschule, die aus diesem Anlass früher schulfrei bekommen, säumt auch die ältere Generation den Straßenrand und freut sich über die Brezeln, die ihnen die Schützenbrüder schenken. Vom Vereinslokal geht es zunächst, begleitet von Musik, zum Präses der Bruderschaft, dem Pfarrer der Pfarrkirche St. Willibrord, der von den Schützen eine große Brezel erhält. Als Dank gibt es vom Präses traditionell einen “Klaren” für die Schützen. Darauf werden die Kinder in Kindergarten und Kinderheim mit Brezeln beschenkt, die für die Schützen immer eine kleine Aufführung einstudiert haben.

Der Zug setzt sich nun durch die Alt-Merksteiner Straßen fort bis man wieder am Vereinslokal angekommen ist. Dort erhält die Vereinswirtin von den Schützenmeistern in jedem Jahr jeweils drei Brezeln und einen Apfel, das so genannte Samenkorn. Der überreichte Apfel stammt von den “Brezelbäumen”, die von den Schützenmeistern während des Festzuges getragen werden. Dieser Apfel wird in seiner Position auf dem “Baum” von den Schützenmeistern wohl behütet, denn es gilt als beliebte Beschäftigung der restlichen Schützenbrüdern den Apfel während des Festzuges von seinem hohen Platz zu entreißen. Nachdem das “Samenkorn” übergeben wurde, werden die neuen Schützenmeister bekannt gegeben. Ihre Aufgabe ist es den König das gesamte Schützenjahr hindurch bei allen Festzügen zu begleiten.

Die einzige erhaltene historische Aufzeichnung über den Brezelgang stammt aus dem Jahre 1856. Es handelt sich hierbei um eine Rechnung des Schreiners Heinrich Josef Drouven, der für die Schützen eine neue “Brezelkiste” zum Preis von 2 Talern fertigte. Das bedeutet also, dass der Brezelgang schon länger existieren muss, beziehungsweise solche Ausmaße angenommen hat, dass der Kauf einer neuen Brezelkiste erforderlich war. Wichtig ist noch zu sagen, dass jeder Schütze die Kosten der von ihm verteilten Brezeln selber trägt.

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