Mit Armbrust und Zylinderhut – ein Schützenjahr

Kaum sind die letzten Silvesterknaller verklungen fängt es auch schon an – das Schützenjahr der St. Sebastianus Bruderschaft aus Alt-Merkstein. Mit der Generalversammlung, meist am ersten Sonntag im neuen Jahr, geht es los. Das kann dann schon mal, vor allem wenn Neuwahlen anstehen, ein längerer Abend werden, denn schließlich werden mit einer solchen Wahl (der Vorstand wird übrigens für 3 Jahre gewählt) die Weichen für die Zukunft gestellt. Im Großen und Ganzen wird man sich aber dann doch einig und der Vorstand kann seine Arbeit aufnehmen. Zum geschäftsführenden Vorstand gehören der Präsident, sein Stellvertreter, der Kassierer und der der Schriftführer. Der Hauptmann, die Führer der Jungsschützen- und Schülerschützenabteilung, der Schützenführer (bei uns auch “Hützer” genannt), die Fähnriche, Schießmeister, König und zwei Beisitzer bilden den erweiterten Vorstand. Jede Menge Leute also. Es wäre demnach schlecht, wenn die Mitgliederzahl unserer Bruderschaft stark schrumpfen würde, denn dann wäre es schwierig alle Vorstandsämter zu besetzten und das Schützenleben aufrecht zu erhalten. Zur Zeit brauchen wir uns über ein solches Szenario jedoch keine Gedanken, schwankt unsere Mitgliederzahl in den letzten Jahren immer zwischen 60 und 65 aktiven Schützen. Damit gehören wir mit zu den stärksten Vereinigungen im Landschaftsverband der Armbrustschützen im Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften.

Nach dieser ersten Zusammenkunft im neuen Jahr steht bereits ein erstes “Highlight” im Schützenjahr auf dem Programm. Am 20. Januar feiern wir Namenstag unseres Patrons, des heiligen Sebastian. Am Wochenende, das diesem Tag am nächsten ist, wird bei den Alt-Merksteiner Schützen kräftig gefeiert – drei tage lang Patronatsfest. Mit einer Hl. Messe in St. Willibrord und einem Familienabend, gestaltet von eigenen Kräften, geht es Samstags los. Im Verlauf des Abends werden auch die Majestäten, die zuvor im Gottesdienst gesegnet wurden, geehrt. Der König erhält seinen Königsorden, die Königin ein Königinnenkreuz und der Jungschützenprinz einen Prinzenorden.

Am Sonntagmorgen, nach einer Kranzniederlegung am Ehrenmal im Volkspark, werden neue Schützenbrüder “unter die Fahne” genommen. Die Fähnriche schwenken zum Schützenlied “Mit dem Pfeil und Bogen” ihre Fahne über dem neuen Schützenbruder. Eine sehr schöne und schon alte Tradition. Danach folgt ein ausgiebiger Frühschoppen mit Ehrungen. Zu unseren Gästen zählen Vertreter des Landesverbandes und der Ortsbruderschaften. Im Verlauf dieses Frühschoppens präsentiert der amtierende König “seine Plakette”, die dann später einmal ihren Platz am wertvollen Königssilber finden wird. Am Abend dann findet traditionell “das Gebet” zu unserem Schutzpatron statt.

Der Montagmorgen – Tag des traditionellen und weitbekannten Brezelganges, beginnt in aller Herrgottsfrühe. Ein Bäcker, der in Handarbeit so etwas 5000 Brezeln gefertigt hat, liefert uns diese an. Nun heißt es Brezelnbündeln – nur gar keine zuviel im Bund! Kein leichtes Unterfangen für manchen Schützenbruder, nach dem vorangegangenen Sonntag mit Frühschoppen und wenig Schlaf.  Eine Abordnung Schützen geht danach zur Grundschule in Alt-Merkstein und berichtet in manchen Klassen von den Traditionen im Schützenwesen.

Danach versammeln wir uns erneut in der Pfarrkirche zu einer Hl. Messe für die Verstorbenen unserer Bruderschaft. Im Verlauf dieser Messe werden die Namen aller verstorbenen Schützenbrüder und auch der inaktiven Schützen verlesen. So wird die Erinnerung an unserer Vorfahren lebendig gehalten. Nach dem Empfang der Brezeln im Anschluss an den Gottesdienst, setzt sich der bekannte Brezelgang in Bewegung. Im Jahre 2008 begleitete uns sogar das Regionalfernsehen. Prominenz aus Politik (in Wahljahren sind es deutlich mehr), Geldinstituten und Ortsbruderschaften begleiten uns auf unserem Weg durch den Ort. An den Straßenrändern mal mehr und mal wenige Schaulustige, von denen jeder mindestens eine Brezel ergattern will. Ganze Schulklassen verfolgen diesen Umzug, schließlich heißt es an diesem Tag in Merkstein ab 11 Uhr: Schulfrei. Zunächst wird unserem Präses im Pastorat ein Besuch abgestattet. Mit einer Runde “Klarem” bedankt er sich für den besuch und schließt sich dem Brezelgang an. nach Einkehr in Kindergarten und Kinderheim endet der Zug durch den ort dann am Pfarrheim. Hier müssen die Schützenmeister, bei Zug durch den ort zu erkennen an den großen und schweren Brezelbäumen (Holzgestelle gefüllt mit Brezeln, die allein der Schützenkönig verteilen darf), der Vereinswirtin das Samenkorn überreichen. Dabei handelt es sich um drei Brezeln und einem Apfel, der bis dahin auf der Spitze des Brezelbaumes seinen Platz haben sollte. Dieser Apfel ist während des Umzuges durch den ort eine begehrte Trophäe von anderen Schützenbrüdern, die diesen Apfel von der Spitze klauben wollen. Dies darf allerdings nur geschehen, solange die Musik spielt (ungeschriebenes Gesetz). Da einem noch so aufmerksamen Schützenmeister schon einmal das Missgeschick eines verloren gegangenen Apfels ereilt, baut der kluge Schützenbruder vor – entweder mit Ersatzäpfeln, versteckt am ganzen Körper oder er lässt sich in einem unbeobachteten Moment Nachschub vom Straßenrand reichen. Ist dieses Samenkorn dann erfolgreich verteidigt und der Vereinswirtin überreicht, dann bedankt diese sich – mit Korn. Mit einem langen Frühschoppen klingt dann das Patronatsfest irgendwann im Abend aus. Ein Schützenbruder, der das richtig mitfeiert, hat vorausschauend für den folgenden Tag schon Urlaub beantragt.

Der nächste Termin, den die Schützen wahrnehmen (sollten) ist der Gottesdienst am Aschermittwoch. Damit tut sich jedoch der ein oder andere Schützenbruder nach den vorangegangenen jecken Tagen schwer.

Dann heißt es für unsere Bruderschaft: Vorbereitung der neuen Schießsaison. Die Schützenwiese muss hergerichtet werden und aus dem Winterschlaf geweckt werden. Das ist nach mehreren Monaten Pause eine ganze Menge Arbeit, wird aber in jedem Jahr dank der vielen Stunden die einzelne Schützenbrüder und auch -schwestern auf der Wiese verbringen immer wieder gemeistert. Auch das Schießgerät von uns Schützen, die Armbrust, wird in der Zeit vor dem Eröffnungsschießen einer Kontrolle unterzogen. Zudem kümmert man sich darum, auch genug Pfeile (ein Holzschaft mit einer Metallkrone) für die Schießsaison parat zu haben. Dann ist es endlich soweit, der Tag des Eröffnungsschießens. Wir treffen uns auf der Schützenwiese und geben unsere ersten Schüsse auf die 28 Meter hohe Vogelstange ab. Der Sieger bei diesem ersten Schießen erhält den Martin Beaujean Pokal, gestiftet von unserem langjährigen Schützenführer. Nach dem Eröffnungsschießen findet einmal in der Woche ein Übungsschießen statt, bei denen eifrig trainiert und die Schusstechnik verfeinert wird. Neben den Übungsschießen finden auch mehrere Jahreswertungsschießen statt, bei denen die jahresbesten Schützen ermittelt werden.

Im Laufe des Jahres besuchen wir auch die anderen Ortsbruderschaften aus Merkstein, die St. Hubertus-Schützen aus Ritzerfeld, die Hubertus-Schützen aus Magerau, die St. Thekla Schützen aus Streifeld und die St. Benno Schützenbruderschaft aus Hofstadt. Wir besuchen den Königsvogelschuss, den Majestätenball und die Festumzüge dieser Bruderschaften. Dabei sind wir immer mit einer recht stattlichen Anzahl Schützenbrüder und -schwestern vertreten. Zweimal im Jahr findet zudem ein Vergleichsschießen mit den Schützenfreunden aus Haanrade, der Kruisboogschutterij Sint Hubertus statt. Unsere holländischen Freunde haben dabei meistens das Schussglück auf ihrer Seite und entscheiden diesen Wettkampf für sich. Nichtsdestotrotz: wir werden weiter versuchen, dieses Schießen zu gewinnen.

Traditionell begleiten wir an Christi Himmelfahrt die Kommunionkinder auf dem Weg vom Pfarrheim in die Kirche und nehmen Fronleichnam an der Prozession teil. An diesem Tag wird nachmittags unser Vereinsmeister “ausgeschossen”. Vereinsmeister ist derjenige, der die meisten Klappen gelegt hat. Es wird also kein Vogel abgeschossen, sondern die wesentlich kleinere Klappe muss getroffen werden. Beim Treffer schlägt die Klappe um.

Ein zweiter Höhepunkt im Schützenjahr ist das Schützenfest, unsere Kirmes. Am Wochenende nach Fronleichnam ist es soweit. Die Wiese wird festlich hergerichtet, denn schließlich erwarten wir jede Menge Gäste. Nach einem Gottestdienst und einem Tanz- und Unterhaltungsabend samstags im Schützenhaus steht für Sonntag der Wettkampf um die Schülerprinzen-, Jungschützenprinzen- und Königswürde an. Die Nachwuchsschützen beginnen am Morgen und ermitteln ihre neuen Majestäten. Dabei wird sich nichts geschenkt, denn schließlich möchte jeder einmal Schülerschützen- oder Jungschützenprinz werden. Sind die Majestäten ermittelt, bleibt meist nicht viel Zeit bis zum Festzug am frühen Nachmittag. Gemeinsam mit den anderen Ortsbruderschaften ziehen wir durch die Straßen von Merkstein. Auf der Schützenwiese angekommen, nach nach dem Auflösungsappell unseres Hauptmanns beginnt schon bald das Schießen um den Königstitel. Wenn uns der Wettergott keinen Strich durch die Rechnung macht, kommen viele Gäste, um sich den Wettkampf anzusehen. Sollte es am Sonntag nicht gelingen, einen neuen König zu ermitteln, wird am Montag, notfalls sogar am Dienstagnachmittag weitergeschossen, bis die neue Majestät feststeht. Ist das geschehen wird auf der Wiese “das Silber” gewechselt. Die scheidenden Majestäten müssen das Silber a geben und die stolzen neuen Würdenträger bekommen von den Schützenmeistern das Silber umgehängt. Dabei wird sich mancher neue König gewundert haben, wie schwer das Silber ist. Aber er hat ja auch das Gewicht von Jahrhunderten umgehängt bekommen. Jeder, der einmal die Gelegenheit haben sollte, unser Königssilber ganz aus der Nähe zu sehen, wird Königsplaketten aus 3 Jahrhunderten erkennen. Die älteste noch erhaltene Plakette hängt allerdings nicht mehr am Silber, sondern wird seperat aufbewahrt. Sie stammt aus dem Jahr 1788 und wurde vom damaligen König Matthias Joesphus Eßers gestiftet. Unsere Kirmes klingt mit einem Klompenmarsch und einem Dorfabend aus.

Der neue König lädt dann traditionell meist Anfang August zum Königsbierschießen ein, bei dem dann die Ehrenmajestäten ermittelt werden, die König, Prinz oder Schülerprinz bei eventuellen Verhinderungen vertreten werden. Nach der Teilnahme am Eurodeschießen mit Mannschaften aus Herzogenrath und Kerkrade werden am ersten Sonntag im September der Bundeskönig und Bundesprinz im Landesverband der Armbrustschützen ermittelt. Dieses internationale Schießen mit Teilnehmern aus Belgien, Niederlande und Deutschland findet in jedem Jahr bei einer anderen dem Landesverband angeschlossenen Bruderschaft statt und ist auf Jahre im Voraus schon vergeben. Die Alt-Merksteiner Schützen können sich wohl erst ab 2012 wieder Hoffnung auf die Ausrichtung dieses Schießens machen. Leider ist es erst zwei Königen und zwei Prinzen unserer Bruderschaft gelungen, Bundeswürden zu erringen. Oft hat nur das nötige Quäntchen Glück zum “goldenen Schuß” gefehlt. Kurz darauf heißt es: Ende der Schießsaison, Die Seile der Armbrüste werden abgespannt und die Schützenwiese wird winterfest gemacht.

Im Oktober findet dann unser Königsball statt. Unsere Majestäten werden an ihren geschmückten Wohnungen abgeholt und dürfen dafür die Schützenbrüder bewirten. Nach dem Festzug durch den Ort wird dann nach einigen Ehrungen eifrig das Tanzbein geschwungen. Ein geselliger Höhepunkt im Schützenjahr, wie auch die in den letzten Jahren immer wieder veranstaltete Schützenfahrt, meist in eine Weingegend.

Im November nehmen die Schützen an der Prozession aus Anlass des Patroziniums unserer Pfarrkirche St. Willibrord teil. Mit Kerzen und dem Schrein mit Reliquien des Patrons ziehen wir gemeinsam mit der Gemeinde durch den Ort.

Unsere Schützenfrauen, die uns das ganze Jahr über begleitet und unterstützt haben, veranstalten in der Vorweihnachtszeit einen Adventskaffee und lassen so ihr Schützenjahr ausklingen. Aber das neue steht schon in den Startlöchern und dann heißt es wieder……..

…..mit Armbrust und Zylinderhut

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Archiv. Fügen Sie den permalink zu Ihren Favoriten hinzu.

Schreibe einen Kommentar